
Pfaffenhofen (mh) Besonders weit gespannt war der Bogen beim dritten Diskussionsabend von ProWirtschaft Pfaffenhofen. Von der Ausgangsthese, dass in der Vielzahl der Mitglieder des Netzwerks wertvolle Ressourcen vergleichbar Edelsteinen schlummern, entwickelte sich ein reger Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Nach einem Vergleich der unterschiedlichen unternehmerischen Führungsstrukturen in den westlichen und asiatischen Kulturen – und möglichen Lehren daraus – mündete das Gespräch schließlich in eine Wertediskussion und in die Frage, was Eltern ihren Kindern und Unternehmen ihren jungen Mitarbeitern in einer Welt, die sich im Umbruch befindet, mitgeben müssen.
Zu Beginn freute sich der stellvertretende Vorsitzende von ProWirtschaft und Moderator Dieter Andre, dass sich auf Grund der Diskussionsabende bereits einige neue Mitglieder dem Netzwerk der heimischen Wirtschaft angeschlossen haben: „Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Andre. Er wies weiter darauf hin, dass sich ProWirtschaft auf Beschluss von Vorstand und Mitgliederversammlung bereits ab 1. Dezember 2011 auch für Privatpersonen öffnet, die zu einem ermäßigten Jahresbeitrag von 60 Euro beitreten können. Die Anwesenden bat er, auch in ihrem Bekanntenkreis und in ihrem geschäftlichen Umdfeld Werbung für die Sache von ProWirtschaft zu machen.
Unterschiedliche Menschen, interessante Formationen
Die Diskussion wurde wie immer von einer kleinen Vorstellungsrunde der 14 Teilnehmer eröffnet, bei der jeder auch bereits Gedanken zum Edelstein-Motiv des Abends einbrachte. Edelsteine im Sinne der Ausgangsthese schlummern überall, sie wollen nur entdeckt werden; erst der richtige Schliff macht sie so wertvoll; jeder ist auf seine Weise ein Edelstein – das waren einige Kernaussagen. Aber auch: Über das Funkeln darf auch schlichte Schönheit nicht übersehen werden. Zum Thema Stein hatte ProWirtschaft-Vorsitzender Franz Böhm eine konkrete Assoziation zum bekannten Felsenlabyrinth im Fichtelgebirge (Luisenburg), wo Steine oft geradezu waghalsig aufeinander lägen. Davon leitete er ab: „Unterschiedliche Menschen können interessante Formationen ergeben.“ Und auf ProWirtschaft bezogen, meinte stellvertretender Vorsitzender Dieter Andre: „Edelsteine sind teuer, der Preis ist Arbeit und die aktive Beteiligung an den Austauschprozessen.“
Die frei laufende Diskussion bewegte sich dann aber schnell weg von der Edelstein-Thematik und hin zu Zukunftsfragen in einer im Umbruch befindlichen Welt (Andre: „Wir sind auf einer Gratwanderung“). Nachhaltigkeit ist dabei zu einem großen Schlagwort der heutigen Zeit geworden; was darunter zu verstehen ist, erläuterte noch einmal kurz Petra Zauner. Der Begriff komme ursprünglich aus der Forstwirtschaft und sei in vielen Bereichen übernommen worden. Bildung für nachhaltige Entwicklung bedeute auf einen kurzen Nenner gebracht, den Menschen Kompetenzen zu vermitteln, um aktiv und eigenständig am Zukunftsprozess mitzuwirken.
Ad-hoc-Entscheidungen gibt es in Japan nicht
Eine Voraussetzung dafür ist laut Dr. Günter Egginger:
„Wir müssen das Egozentrische und Egoistische aus den Köpfen der Menschen herausbringen und besser zusammenarbeiten.“
Der ehemalige Leiter der Pharmaproduktion bei Daiichi-Sankyo in Pfaffenhofen, der die Vertreter von ProWirtschaft beim Unternehmertreff im März wenige Tage vor Antreten seines Ruhestands noch durch das Werk geführt hatte, konnte einige interessante „Insiderinformationen“ über japanische Unternehmenskultur und Entscheidungsprozesse weitergeben.
Die Teamarbeit stehe hier an allererster Stelle („Es entscheidet nie einer allein“), erklärte Egginger und blieb beim Bild der Steine: Viele Leute legten Steine dazu, einige würden verschoben, andere wieder weggenommen – und am Ende füge sich alles zu einem Mosaik zusammen. Egginger betonte den interdisziplinären Ansatz dahinter, was allerdings die Entscheidungswege für Europäer ungewöhnlich lang mache: „Ad-hoc-Entscheidungen gibt es in Japan nicht.“ Erfahrungen, die Asienkenner Hans-Albert Dralle – er lebte und arbeitete sechs Jahre lang in Südostasien – nur in vollem Umfang bestätigen konnte. Wer Geschäfte mit Asiaten machen wolle, brauche viel Geduld und gute Nerven.
Joachim Reuter stellte ebenfalls einen Vergleich der Führungsstrukturen in der westlichen – hier Entscheidungen von Einzelpersonen – und der östlichen Welt – dort Entscheidungen im Kollektiv – an. Dieser fiel zu Gunsten des westlichen Systems aus: Es sei wissenschaftlich erwiesen, zumindest nach dem momentanen Stand der Dinge, und durch eine Langzeitstudie belegt, dass „Teamarbeiten weniger Kreativität hervorbringt als der hierarchische Ansatz“. Dies lasse sich gut an den Patenten festmachen, die weltweit angemeldet werden – hier sei der Westen klar führend.
In unserer globalisierten Welt werde man – wie Ralf Ebertshäuser an einem Beispiel erläuterte – bereits im normalen Geschäftsleben zunehmend gezwungen, sich mit anderen Kulturen und Wirtschaftssystemen auseinanderzusetzen. Das bringe einen „riesigen Strukturwandel“, auf den man sich einstellen müsse. Diskussionsleiter Dieter Andre griff den Faden auf: Die heutige Jugend lebe deshalb „in einer komplett anderen Welt“, sie bekomme durch die neuen Medien eine Weltoffenheit und es eröffneten sich für sie Möglichkeiten, die früher undenkbar gewesen wäre. Schön für die Jugend, aber nach Ansicht von PW-Chef Franz Böhm auch ein zunehmendes Problem für den Klein- und Mittelstand.
Die Dummen werden dümmer, die Klugen klüger
Es stellte sich die Frage, was man der Jugend heute mitgeben müsse, um sie fit für die Zukunft zu machen – und schon war eine Wertediskussion eröffnet. Dr. Gerald Pöschl sprach sich klar für ein – wie auch immer geartetes – Wertesystem als Orientierungshilfe in einer oft orientierungslos erscheinenden Welt aus:
„Jeder muss sich bewusst sein, auch wenn er ein noch so kleines Licht ist, dass er einen Beitrag für eine große Entwicklung leistet.“
Diskutiert wurde auch die Frage nach den Auswirkungen der nur noch zu einem Bruchteil überhaupt fassbaren Informations- und Wissensflut, der die Jugend heute durch die neuen Medien ausgeliefert ist. Dr. Günter Egginger stellte in Bezug auf die Internetnutzung eine leicht überspitzte, aber treffende These in den Raum:
„Die Dummen werden immer dümmer, weil sie den Müll nutzen; und die Klugen werden immer klüger, weil sie sich die Informationen holen, die sie weiterbringen.“
Man müsse sich auf alte oder auch neue Werte besinnen und den Kindern wieder einen Weg aufzeigen, forderte er.
Um die Jugend nicht bange ist Marianne Voit. Sie seit gut gebildet (auch emotional), würde an der Herausforderung wachsen und neue Wege entwickeln. „Wir haben einen guten Boden bereitet“, meinte Voit. Für eine klare, neue Positionierung sprach sich Dieter Andre aus: „Wir müssen raus aus dieser ständigen Stresswelt.“ Eine Forderung, die von Nadine Bögl unterstützt wurde: Während ihrer Jahre als Mitarbeiterin einer Krankenkasse seien Burnout-Symptome das „Krankheitsbild Nummer eins“ gewesen.
Nach ihrer Meinung gewinnt der persönliche Kontakt wieder mehr an Wertigkeit und auch Marianne Voit glaubt festgestellt zu haben: „Die Sehnsucht, mit richtigen Menschen zu tun zu haben, nimmt wieder zu.“ In dieser Hinsicht gingen die Meinungen allerdings auseinander. Ralf Ebertshäusers Erfahrung ist eine andere: „Es wird alles immer anonymer. Wir verlernen es zu kommunizieren.“ Auch Franz Böhm hat ein Nachlassen der persönlichen Kommunikation festgestellt. Umso wichtiger sei es, sich wieder mehr an einen Tisch zu setzen „und sich die Geschichte eines anderen anzuhören“. Das habe ihm kürzlich sogar einen Auftrag für seine Agentur eingebracht.
Wertediskussion wird am 12. Januar 2012 fortgesetzt
Doch was sind nun die „Grundwerte“, die vermittelt werden müssen? Diese Frage wurde nur noch kurz angerissen und aus ihr entstand die These für den nächsten Diskussionsabend am Donnerstag, 12. Januar 2012: „Es gibt drei Werte unabhängig von Politik und Religion, welche unser Zusammenleben prägen.“ Der stellvertretende PW-Vorsitzende kündigte in seinem Schlusswort an, dass die Gesprächsrunden ab dem neuen Jahr jeweils donnerstags im sechswöchigen Turnus stattfinden werden. Die weiteren Termine sind somit der 23. Februar, der 5. April, der 17. Mai und der 28. Juni. Die Diskussionsabende sind offen für alle Interessierten, nicht nur für Mitglieder.
Weiter informierte Andre noch über die vom Vorstand beschlossene Berufung eines Beirats mit beratender Funktion. Maximal sieben Mitglieder wird er haben und mindestens zwei Mal im Jahr tagen (weitere Treffen nach Bedarf). In den Beirat können nur Mitglieder von ProWirtschaft berufen werden. Interessierte können sich noch bis Ende November beim Vorstand melden.